January 28, 2025
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Altern galt lange als unvermeidlich. Nicht als Krankheit, sondern als natürlicher Verfall. Doch diese Vorstellung beginnt zu bröckeln. Immer mehr Wissenschaftler, Unternehmer und Vordenker sind sich einig: Altern ist kein statisches Schicksal, sondern ein beeinflussbarer Prozess – biologisch, technologisch, sogar gesellschaftlich.
Thomas Schulz, langjähriger SPIEGEL-Korrespondent im Silicon Valley, greift in seinem Buch Projekt Lebensverlängerung – Warum 100 gesunde Lebensjahre dank Spitzenforschung und Hightech jetzt schon möglich werden genau diesen Gedanken auf. Herausgekommen ist ein ambitioniertes Sachbuch, das journalistische Tiefe mit wissenschaftlicher Fundierung kombiniert – und ein Thema behandelt, das nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich enorme Sprengkraft besitzt.
Schulz nimmt uns mit auf eine globale Recherche: Er spricht mit Nobelpreisträgern, Biohackern, Start-up-Gründern, CEOs von Biotech-Firmen, Neurowissenschaftlern und Ernährungsmedizinern. Er besucht Forschungslabore in Boston, Unternehmenszentralen im Silicon Valley, Anti-Aging-Kliniken und Thinktanks. Die große Frage lautet: Was lässt sich heute schon tun, um nicht nur länger, sondern auch gesünder zu leben?
Dabei gliedert sich das Buch in vier Hauptbereiche:
Thomas Schulz gelingt es, sehr nah an die Entscheidungsträger heranzukommen – nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Wirtschaft. Er berichtet nicht aus der Distanz, sondern aus Gesprächen mit Menschen, die diese Zukunft mitgestalten. Das verschafft dem Buch eine Authentizität, die viele andere Longevity-Bücher vermissen lassen.
Trotz der inhaltlichen Tiefe bleibt das Buch verständlich. Schulz erklärt Fachbegriffe wie „Zelluläre Reprogrammierung“, „mTOR-Inhibitoren“ oder „Biomarker des biologischen Alters“ so, dass auch medizinische Laien folgen können, ohne den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren.
Schulz geht weit über die rein medizinische oder technologische Ebene hinaus. Er stellt unbequeme Fragen: Was bedeutet es für das Rentensystem, wenn Menschen 40 Jahre lang nicht nur leben, sondern auch arbeiten können? Was passiert mit sozialer Ungleichheit, wenn Langlebigkeit zur Luxusware wird?
Manchmal wirkt Schulz etwas zu fasziniert von der Welt der Tech-Eliten. Die Fortschritte von Google (Calico), Amazon oder Start-ups wie Altos Labs werden überwiegend in einem positiven Licht dargestellt. Kritische Stimmen kommen zwar vor, werden aber meist als Randnotiz abgehandelt. Eine tiefere Auseinandersetzung mit ethischen Dilemmata (z. B. Designer-Medikamente, medizinische Ungleichheit, Manipulation durch Kapitalinteressen) hätte dem Buch gutgetan.
Das Buch wechselt zwischen wissenschaftlich informierten Leser:innen, gesundheitsbewussten Selbstoptimierern und strategisch denkenden Unternehmern. Diese Breite macht es zwar für viele zugänglich – gleichzeitig wirkt es manchmal unentschlossen, ob es ein Ratgeber, ein Report oder ein Essay sein will.
Die Übergänge zwischen dem, was heute medizinisch möglich ist, und dem, was vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren Realität sein könnte, sind fließend. Manche Leser könnten geneigt sein, spekulative Aussagen als Ist-Zustand zu interpretieren. Hier wäre mehr Klarheit hilfreich gewesen.
Das Buch bietet keine einfache „Top 10 Tipps für ein langes Leben“-Checkliste. Es ist kein Ratgeber im klassischen Sinne – und will das auch nicht sein. Vielmehr liefert es eine fundierte und visionäre Bestandsaufnahme eines medizinisch-technologischen Wandels, der unser Leben und Wirtschaften grundlegend verändern wird.
Wer sich professionell mit Innovationen, Zukunftsforschung oder Gesundheitstechnologien befasst, findet hier Inspiration – aber auch Reibungsfläche. Denn Schulz bleibt nicht beim Status quo stehen, sondern denkt weiter: Wie könnten 120 gesunde Lebensjahre unsere Arbeitswelt verändern? Unsere Familienstrukturen? Unsere Systeme von Fürsorge und Verantwortung?
Projekt Lebensverlängerung ist ein starkes Stück Journalismus, das ein komplexes Thema greifbar macht. Es informiert, fasziniert, fordert heraus. Die größte Stärke liegt darin, dass Schulz seine Leser:innen nicht mit Dogmen belehrt, sondern mit Fragen konfrontiert – und sie dabei mitnimmt auf eine Reise, die uns alle betrifft.
Trotz kleiner Schwächen in der Abgrenzung und kritischen Tiefe bleibt das Buch ein wertvoller Beitrag zur Debatte um das Altern im 21. Jahrhundert. Wer sich heute schon Gedanken darüber macht, wie Gesundheit, Arbeit, Technologie und Verantwortung zusammenhängen, kommt an diesem Buch kaum vorbei.
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